Bedeutung der allerfrühesten Erfahrungen
Erste Kindheit und Schwangerschaft
Sowohl bei Affen wie auch bei den ursprünglichen Kulturen ist ein Baby in ununterbrochenem Körperkontakt mit seiner Mutter. In dieser Geborgenheit weint es praktisch nie – und wenn, wird darauf sofort reagiert, um es zu beruhigen. Umgekehrt trennen alle Hochkulturen ein Baby von seiner Mutter – es ist dies die emotionale Anpassung an das entfremdete Leben in den Städten. Und je »höher« die Kultur, desto schärfer die Trennung. Dies gilt auch für das Aufblühen unserer Städte im Mittelalter. Jedoch wurde mit der Entwicklung des Industriekapitalismus vor rund 200 Jahren ein Baby nicht nur schreien gelassen, sondern konsequent zum Schreien erzogen: die Konsequenz war eine psychotische Struktur – als emotionale Anpassung an unsere entfremdete Lebensweise.
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Angeregt durch eigene Ängste und Panikreaktionen bin ich vor 30 Jahren auf die pränatale Psychologie gestossen. Unser Seelenleben beginnt nicht erst nach der Geburt, sondern ist schon in der ganzen Schwangerschaft ausgebildet. Seit dem Zeitpunkt der Zeugung ist ein »Baby« ein voll bewusst erlebendes menschliches Wesen. Und nur mit dieser Dimension können wir den Ursprung unseres Lebens und Verhaltens, unserer Gefühle, Ängste und Emotionen, unserer Schmerzen und Körperempfindungen wirklich verstehen. Unser Erinnerungsvermögen ist umgekehrt an Sprache gebunden und beginnt mit dem zweiten/dritten Lebensjahr. Alle früheren Erinnerungen sind im Körper gespeichert. Im zweiten Teil meines Vortrages werde ich deswegen einen kurzen Abriss geben über die moderne pränatale Körperpsychotherapie.
Im Anschluss zeigen meine Mitarbeiterin Gerda Heynen und ich an einem praktischen Beispiel, wie wir auf der Körperebene arbeiten, um diese frühesten Verletzungen und Traumata aufzudecken, um sie ausheilen zu lassen.
Franz Renggli